OFD Koblenz, Pressemitteilung vom 08.12.2005
Zum rechtlichen Hintergrund
Seit dem 01. August 2005 ist beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Verfassungsbeschwerde zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer anhängig (1 BvR 1644/05). Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Grundsteuerfestsetzung für von ihnen selbst genutztes Wohneigentum. Sie vertreten die Auffassung, dass die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG dem Gesetzgeber verbiete, auf Wirtschaftsgüter des persönlichen Gebrauchsvermögens zuzugreifen und beziehen sich auf die Vermögensteuerentscheidung des BVerfG vom 22.06.1995.
Dort hatte das Bundesverfassungsgericht die weitere Erhebung der Vermögenssteuer als mit der Verfassung unvereinbar angesehen und den Gesetzgeber zur Schaffung einer anderweitigen gesetzlichen Regelung aufgefordert. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in dieser Entscheidung auch zur Zulässigkeit sog. "Sollertragsteuern" geäußert. Hierbei handelt es sich um eine Steuer, die nicht den tatsächlichen Ertrag (wie z. B. die Einkommensteuer), sondern nur einen theoretisch erzielbaren Ertrag aus einem Wirtschaftsgut besteuert. Solche Steuern dürfen nicht zur Folge haben, dass dem Bürger die wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung entzogen wird, sie dürfen keinen „Erdrosselungscharakter“ haben.
In der Verfassungsbeschwerde gehen die Beschwerdeführer davon aus, Grundsteuer und Vermögensteuer seien insofern systematisch vergleichbar. Dies ist zweifelhaft, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll die Grundsteuer den Grundbesitz ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten und ihre persönliche Beziehung dazu erfassen (Beschluss vom 25. Oktober 1977 , Az: 1 BvR 15/75).
Die Finanzverwaltung erwartet, dass die Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen wird.
Auch wenn die Entscheidung positiv für die Beschwerdeführer ausgeht, dann ist es nicht vorstellbar, dass das Bundesverfassungsgericht Interessen einzelner Steuerbürger über das öffentliche Interesse einer geordneten Haushaltsführung der Kommunen stellt und die Grundsteuer rückwirkend für verfassungswidrig erklären wird. Zur Vermögensteuer hat das Bundesverfassungsgericht damals folgendes beschlossen:
"Die Erfordernisse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung rechtfertigen es, die Regelungen zur Vermögensbesteuerung für zurückliegende Kalenderjahre wie bisher weiter anzuwenden."
Im Verfahren über die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer lässt sich als günstigstes Ergebnis für die Bürger erwarten, dass das Grundsteuergesetz für die Zukunft verbessert wird.
Auswirkungen auf die Finanzverwaltung
Ermuntert durch eine Vielzahl von Presseveröffentlichungen und Präsentationen im Internet, die dem Tenor nach die Chancen der Bürger, aufgrund des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht mit einer Erstattung der gezahlten Grundsteuer rechnen zu können, überwiegend positiv beurteilen, werden die Finanzämter in Rheinland-Pfalz aktuell mit Anträgen und Einsprüchen überhäuft.
Der Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ist jedoch offen.
Aus diesem Grund bearbeiten die Finanzämter die eingehenden Einsprüche und Anträge nicht, um zunächst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Darüber werden die Antragsteller informiert und um ihr Einverständnis gebeten.
Bürger, die beabsichtigen, Anträge in der Grundsteuerfrage beim Finanzamt zu stellen, können zu einer zügigen Bearbeitung beitragen, in dem Sie zusätzlich in Ihrem Schreiben erklären:
„Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die Bearbeitung meines Antrags bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts zurückgestellt wird. Betrachten Sie bitte meinen Antrag als gegenstandslos, falls das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Erfolg haben wird.“
Geteilte Zuständigkeit zwischen Finanzämtern und Gemeinden bei der Grundsteuer
Die Finanzämter selbst setzen die Grundsteuer nicht fest. Sie werden nur insoweit tätig, als sie den Grundbesitz bewerten (Einheitswert) und den darauf beruhenden Grundsteuermessbetrag festsetzen. Diesen verwendet die Gemeinde als Grundlage für die Festsetzung der Grundsteuer.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Grundsteuerfestsetzung.
Bürger, die gegen die Grundsteuerfestsetzung der Gemeinde vorgehen, haben damit ausreichend ihre Rechte gesichert. Einer besonderen Anfechtung der Wertfeststellungen des Finanzamts (Einheitswert- oder Grundsteuermessbescheid) bedarf es nicht, weil aufgrund der verfahrensrechtlichen Zusammenhänge bei einer Aufhebung der Grundsteuerfestsetzung wegen Verfassungswidrigkeit die sog. Grundlagenfeststellungen des Finanzamts automatisch ins Leere gehen.
Der Bundesfinanzhof hat ganz aktuell in diesem Jahr entschieden, dass die von den Finanzämtern vorgenommene Einheitsbewertung, auf der die Grundsteuermessbetragsveranlagung beruht – auch wegen der geringen Belastungswirkung bei der Grundsteuer – verfassungsgemäß ist.
Zum Verfahren des Einspruchs
Bürger, die trotz der obigen Ausführungen gegen die Grundsteuerfestsetzung vorgehen möchten, müssen folgendes berücksichtigen:
Gegen Steuerbescheide kann nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Einspruch eingelegt werden. Wer einen Einspruch einlegt, sollte sich sofort mit dem Ruhen des Verfahrens einverstanden erklären.
Ein Einspruch gegen ältere Grundsteuerbescheide oder Grundsteuermessbescheide muss regelmäßig von der Gemeinde oder dem Finanzamt als unzulässig verworfen werden. In diesem Fall besteht nur die Möglichkeit, einen Antrag auf Aufhebung der Grundsteuerveranlagung bei der zuständigen Gemeinde oder einen Antrag auf Aufhebung des Grundsteuermessbescheids beim Finanzamt zu stellen. Wie bereits oben erwähnt, wird die Bearbeitung eines Antrags an das Finanzamt vorerst zurückgestellt.